Konzerte am Samstag und Sonntag
Samstag, 21. März 2020, 20:00 Uhr, Orff-Zentrum, öffentliches Konzert
Evening at the Window
Kammerkonzert mit Münchner Komponistinnen:
Philippine Schick (1893–1970): Sonate für Violoncello und Klavier op. 43
Mary Wurm (1860–1983): Sonate für Violine und Klavier F-Dur op. 17
Konstantia Gourzi (geb. 1962): Evening at the Window für Viola solo op. 75 (Auftragskomposition für den ARD-Musikwettbewerb 2018)
Luise Adolpha Le Beau (1850–1927): Streichquartett f-Moll op. 34
Wir haben uns für diese (historischen) Komponistinnen entschieden, da ihre Nachlässe in Münchner Bibliotheken und Archiven zwar vorhanden sind, aber so gut wie nicht genutzt werden. Das möchten wir ändern. Sie alle haben wesentlich zum Kulturleben der Stadt München beigetragen.
Sonja Korkeala (Violine) | Mohamed Hiber (Violine) | Diyang Mei (Viola) | Laura Szabo (Violoncello) | Dmitry Mayboroda (Klavier)
Komponistinnen in der Musikstadt München
Begibt man sich auf die Suche nach den vergessenen Komponistinnen, finden sich gerade für München und für jede Epoche dieser Stadt ein buntes und breites Spektrum weiblicher musikalischer Praxis. Gleichsam mit den sich ausweitenden Stadtmauern sind auch die Möglichkeiten für Musikerinnen innerhalb dieser Grenzen historisch gewachsen. München war zugleich Anziehungspunkt für Musikerinnen von auswärts, die hier ihre Ausbildung absolvierten oder eine Anstellung suchten. Musik von drei historischen Komponistinnen, deren Nachlässe in den Bibliotheken dieser Stadt überliefert sind, sollen neben der Musik einer Zeitgenössin erklingen.
Vorschub für die Professionalisierung weiblicher Musiker leistete die Königl. Akademie der Tonkunst, deren Professoren Kompositionsschülerinnen anfangs nur als Privatschülerinnen annahmen. Die in Rastatt geborene Luise Adolpha Le Beau zog zu Kompositionsstudien nach München, aber sie hatte etliche Hürden zu umschiffen, bevor sie vom renommierten Joseph Gabriel Rheinberger Kompositionsunterricht erhielt: „Professor Rheinberger sah öfters Kompositionen von mir durch: er fand meine Violin-Sonate Opus 10 ‘männlich, nicht wie von einer Dame komponiert’ und erklärte sich nun bereit, mich als Schülerin anzunehmen, was eine große Ausnahme war, da er keinen Unterricht an Damen gab.“ In ihrem Streichquartett op. 34 (1885) komponierte Le Beau ein eindrucksvolles Programm-Quartett, dessen Erzählung eine sehr dichte zyklische Form legitimiert. Das Programm kann autobiographisch gedeutet werden. Mit diesem musikalischen Abschied von München hat sie der sogenannten „Münchner Schule“ eine bedeutende Arbeit hinterlassen.
Philippine Schick hatte sich 1914 gegen den Willen des Vaters für Kompositionsunterricht eingeschrieben. Aber auch später traf sie immer wieder auf Widerstände: „Mein großer Förderer Joseph Haas sagte zu meinem Nachbarn … beim Anhören eines Orchesterwerks von mir: ‚Schade, dass sie nicht Philipp heißt!‘“ Ihr Engagement für Komponistinnen in der GEDOK erwuchs aus dieser Situation. Ihre Cellosonate entstand in den Jahren 1940/41 und wurde von dem Cellisten und Widmungsträger Hermann von Beckerath mehrmals aufgeführt. Es ist eine handwerklich an den Klassikern geschulte Sonate. Schicks kompositorischer Nachlass, wie der der Deutsch-Engländerin Mary Wurm liegen heute wenig beachtet in der Musikbibliothek im Gasteig München. Mary Wurm, Pianistin, Dirigentin, Gründerin des 1. Frauen Streichorchesters Berlin und Komponistin widmete ihre Violinsonate dem Geiger Joseph Joachim, mit dem sie die Sonate in den 1890ger Jahren auch aufführte. Ein humorvoll, anspruchsvolles Stück im spätromantischen Stil. Ihre mehr als 120 Kompositionen zeugen von großem Ideenreichtum für unterschiedlichste Besetzungen und in der Auswahl ihrer Liedtexte.
Die Griechin Konstantia Gourzi lehrt heute als Professorin für Dirigieren an der Hochschule für Musik und Theater München. Ihre Komposition Evening at the Window für Viola solo ist als Auftragswerk des Internationalen Musikwettbewerbs der ARD 2018 entstanden, den der Chinese Diyang Mei gewann. Er machte das „ganze Stück in seinen heftigen auch zutiefst sanften Facetten gleichsam sichtbar.“ (Süddeutsche Zeitung).
Sonntag, 22. März 2020, Carl-Orff-Saal, Gasteig München, öffentliches Konzert, Karten bei München Ticket
12:00–13:00 Uhr
Schwebend, leuchtend, furios – Neue und neueste Orchesterwerke von Komponistinnen. Matinée mit Werken für Laien- und Profi-Orchester.
Gunild Keetman (1904–1990): Tänze und Spielstücke (eine Auswahl 1930–1933)
Katrin Schweiger (geb. 1987): Schwebend für Streichorchester (2016/17)
Dorothea Hofmann (geb. 1961): Furie Interludium (2018)
Manuela Kerer (geb. 1980): Feuernde Seele für Streichorchester und Trautonium (2016)
Dorothee Eberhardt (geb. 1952): 3. Satz aus Luminoso für großes Orchester (Auftragskomposition UA 2020!)
Gloria Coates (geb. 1938): Aurora Borealis – Kopfsatz aus der 2. Sinfonie, und Illuminato in tenebris (1974/88)
Peter Pichler (Trautonium) | Rainbow Sound Orchestra Munich and friends unter anderem vom Orchesterverein Kempten und vom Frauenorchesterprojekt Berlin
Mary Ellen Kitchens (Idee und Leitung)
Melissa Panlasigui und Alexander Strauch (Leitung)
Eine Matinee mit Werken für Laien- und Profiorchester
Die orchestralen Klangwelten von Komponistinnen der Gegenwart erkundet Mary Ellen Kitchens am 22.3.2020 um 12 Uhr im Carl-Orff-Saal im Gasteig und stellt damit gleichzeitig Alternativen zu gängigen Konzertprogrammen vor, die im Rahmen der Konferenz „Und sie komponieren, dirigieren doch. Diversity in Music – Komponistinnen und Dirigentinnen im Musikleben heute“ zur Debatte stehen. Neben einem Sinfoniesatz von Gloria Coates, dessen Entstehung in das Jahr 1974 zurückreicht, stehen Kompositionen von Dorothea Hofmann, Manuela Kerer und Katrin Schweiger aus der jüngsten Vergangenheit sowie eine Uraufführung von Dorothee Eberhardt auf dem Programm. Die Vielfalt der unterschiedlichen Inspirationsquellen und die individuellen Ausdrucksmomente zeigen einen kleinen Einblick in die Musik von Komponistinnen, die zu lohnenden Entdeckungsreisen einlädt.
Carl Orff gründete die Schule für Gymnastik, Rhythmik, Musik und Tanz zusammen mit Dorothee Günther. Gunild Keetman war eine kreative Komponistin (u. a. die Weihnachtsgeschichte), Lehrerin und Assistentin bei vielen seiner Projekte, u. a. beim Orff-Schulwerk usw.
Die bildstarke Überschrift Aurora Borealis hat Gloria Coates (geb. 1938) dem Kopfsatz ihrer zweiten Sinfonie mit dem nicht minder klangvollen Titel Illuminatio in tenebris (1974/1988) gegeben. Dem Polarlicht als Leuchtpunkt in der Dunkelheit verleiht die in München lebende Komponistin mit US-amerikanischen Wurzeln durch eine klangvolle Instrumentation Strahlkraft, ohne darüber die mystische Faszination dieser Naturerscheinung zu vergessen, die sie mit eindrucksvollen Orchestereffekten nachzeichnet. Dabei stellt der knapp fünfminütige Satz nur einen kleinen Ausschnitt aus dem umfangreichen Schaffen Coates‘ dar, das inzwischen 16 Sinfonien, Kammermusik für verschiedenste Besetzungen und Bühnenwerke umfasst.
Ebenfalls in außergewöhnliche Klangwelten entführt Manuela Kerer mit Feuernde Seele, das 2016 unter Mary Ellen Kitchens seine Uraufführung erlebte und dem Streichorchester ein Trautonium als Soloinstrument an die Seite stellt. Peter Pichler ist einer der wenigen Musiker, die dieses elektronische Instrument, das durch Alfred Hitchcocks Film Die Vögel größere Bekanntheit erlangte, beherrschen. Dabei verhilft dem vielfach ausgezeichneten Künstler seine klassische Ausbildung diese Urform des Synthesizers in seiner Vielseitigkeit einzusetzen.
Die Suche nach immer neuen Ausdrucksweisen, auf die sich Katrin Schweiger (geb. 1987) stets begibt, findet sich auch in ihrer musikalischen Zustandsbeschreibung der Reihe Schwebend (2016/17) für Streichorchester wieder. Hier verdichtet sich die Linienführung in den einzelnen Instrumentenregistern zu einem schwerelosen Eindruck und der musikalische Bezugspunkt zur Filmmusik wird plastisch hörbar. Dagegen bildete die Inspirationsquelle für Dorothea Hofmann (geb. 1961) Interludium Furie… (2018) musikalische Gesten aus Mozarts 1781 in München uraufgeführten Oper Idomeneo, die sie in die eigene Dramaturgie eines sich intensivierenden Emotionsstroms einfügt und Extreme auslotet und auskostet. Zunächst als Pianistin international erfolgreich (Preisträgerin im Internationalen Gaudeamus-Interpreten-Wettbewerb in Rotterdam 1993) liegt heute der Schwerpunkt ihrer künstlerischen Tätigkeit auf der Komposition. Darüber hinaus lehrt sie heute als Professorin für Musikwissenschaft an der Musikhochschule München.
Ein zeitgenössisches und sehr persönliches Programm hat die Dirigentin Mary Ellen Kitchens zusammengestellt, dass sie gemeinsam mit dem Rainbow Sound Orchestra Munich unterstützt von Teilnehmerinnen des Frauenorchesterprojekts (FOP) in Berlin und Mitgliedern aus dem Orchesterverein Kempten (OVK) musizieren wird. Alle diese Ensembles dirigiert und motiviert sie mit einem feinen Gespür für die Kombination aus Bekanntem und Unbekanntem. Außerdem hat sie zu den meisten Werken, die in der Matinee erklingen, den Anstoß gegeben und ihnen außerdem zur Uraufführung verholfen. Diese aktive Förderung von Komponistinnen setzt sie in der rund einstündigen Matinee konsequent fort, wenn ein neues Werk von Dorothee Eberhardt erstmals erklingt, das durch Gemälde des englischen Malers William Turner inspiriert wurde.
(Texte: Dr. Ulrike Keil)